Entstehung

Häufig werden Autoren gefragt, ob denn das, was sie geschrieben haben, autobiografisch sei. In meinem Fall ist das leicht zu beantworten, denn auf Dächern herumklettern ist nur bedingt mein Fall. So richtig verstanden habe ich den Zweck der Frage ohnehin nie.

Zugegebenermaßen ist jeder Text zu hundert Prozent autobiografisch. Schließlich besteht ein Text zu hundert Prozent aus Worten und Gedanken des Autors. Und die sind zwangsläufig ein Teil seines Lebens. Wirklich spannend ist letztlich aber nur die Frage, welche seiner zahllosen Gedanken der Autor herauspickt, um sie zu einer eigenständigen Geschichte zu verbinden.

Wie sich das beim Schattensucher gestaltet hat und wie er schließlich zum gedruckten Buch wurde, will ich in Form einer Serie versuchen nachzuerzählen. Ein paar Reflexionen zum Schreiben im Allgemeinen sollten nicht als Anmaßung verstanden werden, sondern als Ergebnis des missglückten Versuchs, mein Mitteilungsbedürfnis zu zügeln. Gerne hätte ich eine Funktion eingebaut, diese Passagen bei Bedarf wegzuklicken. Aber dann hätte der Text ein bisschen arg dürftig ausgesehen. Und überhaupt: Ich zwinge ja keinen zum Lesen ...

Teil 1: Von der Idee zur Idee

Eines Tages überfällt den Autor (der sich zu diesem Zeitpunkt eine solche Bezeichnung verbitten würde) eine Idee, die ihn fasziniert und nicht mehr loslässt: ein idyllisches Bild, eine verrückte Person, eine Pointe, die die Welt angeblich noch nicht gesehen hat. Die Idee ist weit davon erntfernt, eine Geschichte zu sein, aber etwas in ihm sagt ihm, dass er sie unbedingt aufbewahren muss.

Zu einem späteren Zeitpunkt (das kann durchaus Jahre später sein) überfällt ihn eine ganz andere Idee, die mit der ersten gar nichts zu tun hat. Der Ahnungslose weiß nur, dass er sie ebenfalls aufbewahren sollte. 

Und zu einem ganz anderen Zeitpunkt hat er plötzlich die Idee, dass man beide Ideen wunderbar zu einer großen Idee zusammenfügen könnte. Das hat etwas durchaus Geniales an sich, denn: Es lässt sich zwar kaum mehr eine Idee finden, die es nicht schon in irgendeiner Geschichte gäbe. Aber die Chance, dass es bereits eine Kombination aus genau diesen beiden Ideen gibt, ist eher gering. Und je mehr Einfälle zu diesem Grundstock dazufinden, umso mehr reift eine Geschichte heran, die tatsächlich die Chance hat, originell zu sein. (Keine Angst, wer immer noch auf den Schattensucher wartet: In Teil 2 komme ich definitiv dazu.)


Teil 2: Ein unerwarteter Anfang

Die erste Idee zum Schattensucher entsprang doch tatsächlich einem Computerspiel (Experten dürften leicht dahinterkommen, um welches Spiel es sich handelt). Ich sah es und dachte mir: Was für eine reizvolle Figur, dieser Nachtdieb, der sich in reiche Anwesen schleicht und dabei selbstgefällig über die Dummheit der Wachen lästert. Ein Mann, dessen einzige Waffe der Schatten ist. Ein Roman aus seiner Perspektive dürfte Spaß machen, mehr noch als ein Computerspiel. 

Diese Verwandtschaft will ich nicht verschweigen, denn jedes Buch ist von einer Sache inspiriert, die es bereits gibt. Meist sind es Menschen aus der Realität. Aber warum sollen sie nicht genauso gut aus einer virtuellen Realität stammen?

Viel mehr als diesen groben Ansatz hatte ich allerdings nicht. Das blieb auch für längere Zeit so, obwohl ich mir die ein oder andere Geschichte mit dieser Figur ausdachte. So richtig zünden wollte keine davon. Es half nichts: Ich brauchte irgendwann eine zweite Idee, um dieser noch so schattenhaften Figur Leben einzuhauchen und sie zu meiner Figur zu machen.

Teil 3: Der Kern der Sache

Häufig sind die erste und die zweite Idee ihrem Wesen nach vollkommen unterschiedlich. Deshalb kann es eine längere Zeit dauern, bis sie zusammenfinden. Aber darin liegt die große Chance, dass etwas sehr Ungewöhnliches und Spannendes entsteht; etwa so, wie wenn ein Melancholiker und eine Sanguinikerin heiraten.

Die Sanguinikerin war in meinem Fall eine kleine Geschichte, die ein Mann in einem Vortrag erzählte. Es ging um einen Vater, einen Sohn und einen Mörder. Leider kann ich sie an dieser Stelle nicht erzählen, sonst würde ich die Pointe meines Romans verraten. Also: Buch lesen!

Die Geschichte war eigentlich keine wirkliche Geschichte, denn sie war so unkonkret gehalten, dass mir nur ein Handlungsgerüst in Erinnerung blieb. Aber das hatte es in sich. Ich war berührt. Und ich dachte mir, man müsste eine Welt schaffen, in der Menschen leben, die eine solche Handlung glaubhaft machen. Raten Sie mal, welche Figur mir einige Zeit später dazu eingefallen ist ...

Fortsetzung folgt ...